Regentag und rausgerotzt
Irgendwie hat es sich auf meiner Reise so eingependelt, dass hier alle drei Tage eine neue Wortmeldung kommt. Ob das auch für den Rest der Tour so bleibt, weiß ich allerdings noch nicht. Heute passt es allerdings ganz gut, denn seit vorgestern stehe ich mit meinem Camper vor den Toren von Kopenhagen und nachdem ich gestern einen wundervollen Tag in der dänischen Hauptstadt hatte, regnet es heute. Und zwar ziemlich dolle. So ein klein wenig Nieselregen würde mir ja nichts ausmachen, aber wenn man plitscheplatsche nass ist, sobald man vor die Tür tritt, legt man eben mal einen ruhigen Tag ein.
Ich will auch gar nicht beschweren. Denn bisher hatte ich auf meiner Reise das große Glück, dass es immer an den Tagen geregnet hat, wenn ich von einem Ort an den nächsten weitergezogen bin – also praktischerweise sowieso im Wohnmobil gesessen habe. Das war auf dem Weg von Neustadt nach Fehmarn schon so und auch zwischen Fehmarn und Sylt hatte es kurz geregnet. Völlig verregnet war dann die Fahrt am Mittwoch zwischen Sylt und Kopenhagen. Doch kaum war ich angekommen, riss der Himmel auf und ich konnte hier noch die Gegend erkunden.
Am Ende ist ja dann auch immer die Frage, was man aus solchen Tagen macht, an denen der Regen unaufhörlich aufs Dach des Wohnmobil plätschert. Da der Regen angekündigt war, habe ich natürlich zuallererst einmal das getan, was ich ja ganz gerne mache: Ich habe ausgeschlafen. So richtig, bis ich von selbst wach wurde und dann auch gemerkt habe, dass ich nicht wieder einschlafe, wenn ich mich noch einmal umdrehe.
Nach einem ausgiebigen Frühstück habe ich mich dann dem gewidmet, dessen ich mich auf meiner Reise bisher schon viel gewidmet habe – der eigenen Kreativität. Und tatsächlich hat der heutige Regentag nun dabei geholfen, einen ersten Schlussstrich zu ziehen. So ein Werk entsteht ja meist in drei Phasen. Teil eins nenne ich immer das Rausrotzen. Etwas derbe, ich weiß, aber es trifft es ganz gut. Einfach mal rauslassen, was drinnen ist – ob es am Ende erträglich wird, zeigt sich. Denn die zweite Phase ist das Reifenlassen. Einfach mal für zwei bis vier Wochen die Finger weg davon und sich mit anderen Dingen beschäftigen. Dann folgt die dritte Phase: Der Feinschliff. Kurz gesagt: Aus dem Roh-Diamant wird ein Edelstein.
Die erste Phase des Rausrotzens habe ich nun heute an diesem regnerischen Tag in der Nähe von Kopenhagen hinter mich gebracht. Das ist insofern immer entscheidend, weil ich an diesem Punkt merke, ob etwas funktioniert – ob die ganze Sache für mich persönlich stimmig ist. Ist sie dies nicht, kommt das Teil gnadenlos in den Papierkorb. Dies ist heute nicht geschehen. Was immer da also heute die Phase des Rausrotzens hinter sich gebracht hat, es funktioniert. Noch nicht an allen Ecken und Enden, doch die Grundlage für eine spätere Veröffentlichung ist definitiv gelegt.
Um was es bei dem Werk geht, bleibt an dieser Stelle geheim. Das kann ein Song, ein Film, ein Buch sein. Auflösung folgt später. Ebenfalls später, aber schon sehr bald, folgt dann eine weitere Ankündigung. Ein paar Leute wissen schon, worum es geht. Alle anderen müssen sich noch ein paar Tage gedulden. Nur so viel kann ich sagen: Auch hier wurden an diesem Regentag in der Nähe von Kopenhagen Dinge eingetütet, die das Ganze dann schon bald zum Abschluss bringen werden. Und sobald die Tinte dann trocken ist, haue ich es auch raus. Versprochen.
Und so nutzt man eben einen verregneten Tag in Dänemark und freut sich so gegen halb sechs Uhr am Abend, wenn der Himmel dann plötzlich aufreißt. Weil auch der Regenradar für den Rest des Tages keine nassen Wolken mehr anzeigt, geht es dann noch ein wenig aufs Fahrrad, die Gegend erkunden. Ich mache mich auf den Weg in die Stadt, die hier direkt beim Campingplatz liegt. Ishøj hat etwas mehr als 21.000 Einwohner ist irgendwie ganz seltsam. Es gibt zwei riesige (und damit meine ich wirklich große) Einkaufszentren oder wie man Neu-Deutsch sagt: Shopping Malls. Und sonst: Nichts. Wirklich: Nichts. Eine riesige Schule, mehrere Kindergärten und ansonsten nur Wohnhäuser. Kein Café, keine Kneipe. Nichts. An der Einfallsstraße gibt es einen (!) kleinen Imbiss, bei dem man sich mit Pizza, Pommes und Döner versorgen kann. Ansonsten: Nur Wohnhäuser. Von riesengroß über mittel bis klein. Aber alles im Einheitsbau. Nicht etwa, dass hier jeder sein schickes Wohnhaus hat, während er nebenan in Kopenhagen arbeitet. Nein. Man fährt etwa einen Kilometer die Straße entlang und ein Haus sieht aus wie das nächste. Und das wirklich kilometerweit. In der Mitte hat man dann noch einen künstlichen Teich angelegt und am Stadtrand steht diese komische Kirche.
Ich habe bei meinen Reisen wirklich schon viel gesehen. Und da waren auch trostlose Ecken dabei. Frag die Engländer in ihren Industriestädten wie Birmingham oder Sheffield. Aber das hat dann wenigstens noch den Charme der besseren Zeiten, die vergangen sind. Hier sucht man den Charme vergeblich, denn man weiß: Es war vom ersten Tag an trostlos. Eine Stadt am Reißbrett entworfen, in der selbst das Rathaus in einem Einkaufszentrum untergebracht ist. Eine Stadt, in der es keine Spielplätze gibt, weil auch diese in den beiden Einkaufszentren untergebracht sind. Eine Stadt, die trostlos ist wie ein Regentag im Wohnmobil, wenn man nicht gerade an kreativen Werken arbeitet.