Letzter Tag auf Sylt
Ja, es ist wahr. Auf Reisen vergeht die Zeit schneller. Ich weiß, wovon ich rede, bin schließlich öfter mal unterwegs. Und so ist es mal wieder unglaublich, dass die Zeit auf der Insel der Schönen und Mondänen morgen schon wieder zu Ende geht. Es geht dann weiter nach Dänemark.
Doch natürlich will auch so ein letzter Tag auch genutzt werden und so bin ich heute in den Norden der Insel. Zuerst nach Kampen, dann nach List weiter.
Kampen liegt sieben Kilometer nördlich von Westerland und ist die beste Adresse auf der Insel. In dem Dorf haben die großen Modefirmen ihre Dependancen. Dior habe ich gesehen, Giorgio Armani auch. Da ich mich in diesem Metier aber auch so gar nicht auskenne, kann es auch gut sein, dass ich an dem ein oder anderen spektakulären Laden vorbeigelaufen bin, ohne es zu merken. Mir doch egal.
Überhaupt: Was kann diese wunderschöne Insel dafür, dass die angeblich Schönen und Reichen irgendwann über sie hergefallen sind?! Denn ja, es ist schon auffallend. Allein die Autos, die auf Sylt umherfahren – eine solche Dichte an Luxuskarossen findet man sonst eigentlich nur am Ku’damm oder auf der Kö. Und auch die Menschen, die in den Cafés, Bars oder Restaurants sitzen, ihre Muscheln mit Champagner runterspülen – sie sind gut gekleidet und sichtlich um ihr Äußeres bemüht. In diesem Zusammenhang schreibe ich übrigens mit Absicht »bemüht«, weil diese Mühe gerade mit zunehmendem Alter meist mächtig in die Hose geht.
Ich habe sowieso nie verstanden und verstehe es bis heute nicht, warum Menschen sich mit zunehmenden Alter gerne künstlich schön machen wollen. Was soll denn das konserviert werden? Etwas, das es schon lange nicht mehr gibt? Warum schaffen es gerade Menschen, die in ihrem Leben viel erreicht haben, so selten, in Würde zu altern? Egal, ob Hollywood-Star oder erfolgreiche Geschäftsfrau – irgendwann sieht das Gesicht aus wie eine Fratze und der Teint so natürlich wie eine vegane Currywurst.
Zum Glück bleiben diese seltsam künstlichen Menschen auf Sylt tatsächlich größtenteils unter sich. Man seht sie hier und dort in ihrem Luxusschlitten über die Insel kutschieren oder läuft ihnen eben in Kampen über den Weg. Ansonsten gibt es zum Glück auch noch jede Menge Menschen auf der Insel, die im besten Sinne »normal« geblieben sind. Wie lange es sie auf der Insel noch geben wird? Niemand weiß es so genau. Denn die Immobilien- und Mietpreise sind auf Sylt dermaßen hoch, dass man sich als Busfahrer/in, Supermarktverkäufer/in oder selbst als Kellner/in in einem der unzähligen hochqualitativen Restaurants kaum noch eine Wohnung auf der Insel leisten kann. Die meisten Leute, die tagsüber für das Wohl der Gäste aus aller Welt sorgen, fahren abends mit dem letzten Zug zurück aufs Festland, weil die Ein-Zimmer-Wohnung dort nur die Hälfte kostet.
Aber zurück zum Thema: Mein Fall war Kampen nicht. Alles viel zu sehr das Geld der Gäste angelegt – und vor allem natürlich darauf aus. Eine Sache sollte man in Kampen aber trotzdem unbedingt tun: Nämlich den Wanderweg raus in Richtung rotes Kliff nehmen und dann die etwas mehr als hundert Stufen auf die Düne Uwe nehmen. Die Düne Uwe ist die höchste natürliche Erhebung der Insel und entsprechend ist die Sicht. Nämlich bei gutem Wetter fast über die gesamte Insel.
Ob man danach noch am Strand entlang läuft bis zum roten Kliff, sei allen selbst überlassen. Ich für meinen Teil schaue mir rote Kliffs lieber auf Helgoland an und bin deshalb am Ende des ausbauten Weges nach links durch die Dünen abgebogen. Zurück ins Dorf und von dort weiter nach List.
Das kleine Dorf liegt ganz im Norden von Sylt und ist damit die nördlichste Gemeinde der Bundesrepublik Deutschland. Aber aufgepasst: Wer zum nördlichsten Punkt unseres Landes will, sollte bereits am Südende von List links abbiegen und von dort entweder zu Fuß oder mit dem Fahrrad die etwas mehr als sechs Kilometer in Angriff nehmen. List selbst liegt nämlich eher an der Ostküste der Insel und wer der Hauptstraße weiter folgt, bewegt sich dann ganz schnell eben in östlicher Richtung.
Sehenswert ist in die List vor allem und eigentlich einzig der Hafen. Zwar wird auf diversen Kanälen gerne für die Mall in List-Mitte geworben, aber die besteht im Grunde nur aus einem Supermarkt, einem Bäcker und einem klitzekleinen Brauhaus. Wer Shopping-Erlebnis sucht, ist hier auf dem Holzweg.
Also: Möglichst schnell durchs Dorf durch, bis es nicht mehr weitergeht. Dann nämlich stehst du im Hafen und dort gibt es vor allem kulinarisch so ziemlich alles, was man sich wünscht. Das liegt auch daran, dass Gosch Sylt hier seinen Hauptsitz hat. Der Laden mit dem Fisch beherrscht den Hafen gleich mit mehreren Läden. Doch es gibt auch eine kleine Markthalle, in der es weniger Lebensmittel, sondern eher Mitbringsel und Klamotten gibt. Alles irgendwie niedlich gemacht.
Ein Ausflug an die Nordspitze der Insel lohnt also in jedem Fall, mehr als einen Tag braucht man dafür jedoch nicht einzuplanen. Es sei denn, man möchte auch hier gerne die unendlichen Strände der Insel Sylt ausgiebig nutzen.
Und damit wären wir dann auch schon beim Fazit: Sylt als Insel, als Naturerlebnis ist wunderschön und absolut sehenswert. Allein die Dünen und der Strand im Westen der Insel sind sehens- und vor allem erlebenswert. Das Meer rauscht hier mit hohen Wellen, die umso höher werden, desto windiger der Wind.
Wer auf Sylt also vor allem die Natur erleben will – jederzeit eine Reise wert. Wer nach Sylt kommt, um dem High-Society-Leben zu frönen: Leute, es gibt so viele bessere Ziele auf dieser Welt. Nach Sylt kommen nur die ganz jungen, verwöhnten Gören, die schon allein aus Langeweile unausstehlich sind und noch dazu jede Menge Frust vor sich her schieben, weil sie sich noch keinen eigenen Urlaub leisten können und deshalb mit Mami und Papi im Luxus abhängen. Oder es kommen die Alten und Gebrechlichen, die mitunter ihr Leben lang hart gearbeitet haben, um sich ein wenig Luxus leisten zu können, jetzt aber schon den Flug an die Côte d’Azur nicht mehr überstehen würden.