Schlamm, schlammig, Wacken 2025

Das nennt man dann wohl Satz mit X – war wohl nix! Aber halt, nicht falsch verstehen: Wacken war auch im Jahr 2025 mal wieder großartig (bis auf die eine Ausnahmen, auf die ich später zu sprechen komme)! Mit dem Satz mit X meine ich: Da kündige ich vor Wochenfrist hier großspurig stete Zwischenstände vom Holy Ground an – und was passiert? Es herrscht eine Woche Funkstille. Zumindest auf diesem Kanal.
Der Grund dafür ist so simpel wie traurig: Auf Kuhweiden in Schleswig-Holstein gibt es keinen Empfang. Hier und da ist mal ein Durchkommen. Das reicht dann für Whatsapp oder schnell ein Bild auf Instagram. Aber ansonsten: Tote Hose. An Bilder und Texte für den eigenen Blog ist nicht zu denken.

Und so gibt es nun am Ende der Veranstaltung einen fetten Nachbericht mit allem Drum und Dran. Von A wie Anreise bis Z wie Zugabe versuche ich, nichts zu vergessen. Der Regen prasselte, der Schlamm wurde tiefer und tiefer und trotzdem kommt man mit einem Sonnenbrand der guten Gefühle nach Hause. Das klingt zwar kitschig, trifft es dennoch ganz gut auf den Punkt.
Da der Sommer bisher allgemein ja schon recht durchwachsen war, konnte und musste man natürlich auch in Wacken mit dem ein oder anderen Sonnenscheinloch oder gar Regenschauer rechnen. Präsentierte sich das Wetter zu Beginn des Festivals fast noch von seiner besten Seite, zeigte der Himmel über Schleswig-Holstein vor allem am Samstag und am Abreisetag Sonntag noch einmal so richtig, was er an Flüssigkeitsmenge aus sich herauspressen kann. Ein Phänomen, dass die Medien stets gerne aufgreifen. Bei kaum einem anderen Festival der Welt wird so viel über das Wetter gesprochen und so wenig über die Musik.
Das mag natürlich auch daran liegen, dass das Wacken Open Air eben auf einer riesigen Kuhweide stattfindet, die sich mit der entsprechenden Bewässerung von oben eben in ein einziges Schlammbad verwandelt. Und es soll ja sogar Besucher und Besucherinnen geben, die nur deswegen in den Norden pilgern. Mit dem richtigen Schuhwerk und der richtigen Kleidung lässt sich das durchaus managen und gehört tatsächlich schon fast irgendwie dazu.
Trotzdem muss man genau an diesem Punkt kurz den Zeigefinger in Richtung Veranstalter heben. Das W.O.A. schreibt sich seit vielen Jahren das Wort »Inklusion« groß auf die Fahnen. Und natürlich kann niemand etwas fürs Wetter und natürlich möchte man den Acker so unberührt wie möglich lassen, denn schließlich schreibt man sich ja auch das Wort »Nachhaltigkeit« auf eben diese Fahnen. Trotzdem muss es für eine Veranstaltung dieser Größenordnung möglich sein, die Teilnahme für Menschen mit Behinderung in der ein oder anderen Form besser möglich zu machen.

Ein Blindenstock funktioniert im Schlamm nicht, Krücken, Rollator oder gar Rollstühle kann man auch komplett vergessen. Da hilft es nicht, wenn man eine großzügige Tribüne irgendwo ganze vorne aufstellt – zwar mit guter Sicht, aber eben auch mitten im Dreck. Hier bedarf es dringend einer Überarbeitung des Konzepts. Es muss möglich sein, irgendwo eine Tribüne aufzustellen, die auch bei schlechtesten Wetterbedingungen mehr oder weniger aus eigener Kraft erreichbar ist.
Insgesamt muss man sagen, dass man leider an vielen Kleinigkeiten gemerkt hat, dass Wacken mit dem Einstieg eines Investmentfonds vor allem eins ist: Profitorientiert. Das muss es auch – jeder Veranstalter muss auf seine Ein- und Ausgaben achten. Trotzdem sollte man im hohen Norden die Dinge nicht aus den Augen verlieren, die bisher eben den Unterschied zu anderen Festivals gemacht haben. Reist man mit dem Wohnmobil an, erwartet niemand bei Rock im Park, Rock am Ring, Hurricane, Southside, NovaRock oder wie sie alle heißen, dass ein Trecker vorbeikommt, der einen mit Frischwasser versorgt und die Toilettenkassette entleert. In Wacken gehörte dies immer irgendwie dazu. Ganz einfach, weil die Bauern aus der Umgebung waren, die sich ein paar Euro dazuverdient haben. In diesem Jahr kam der Traktor genau einmal vorbei – besetzt mit zwei Studenten, die sich mit Sicherheit auch was dazuverdient haben, aber mit der Region Wacken so viel zu tun hatten wie Guns’n’Roses mit guter Live-Musik (dazu später mehr).
Auch im Dorf Wacken selbst merkte man den Unmut. War die 1.000-Seelen-Gemeinde früher ein Hotspot der gelebten Anarchie, in der jeder Mensch seine Mark oder seinen Euro mit der ein oder anderen Dienstleitung oder dem ein oder anderen Gimmick verdienen konnte, scheuten die Anwohner inzwischen fast den Kontakt zum durchlaufenden Metalvolk. Hieß es früher: »Komm, reich mal’ne Dose Bier über’n Zaun. Danke. Hier haste zwei Euro«, heißt es heute leider: »Nee, dürfen wir nicht mehr, weil nur an den Ständen verkauft werden darf.« Schade, schade, schade…
Sehr schade – und damit kommen wir nun endlich zur Musik – war auch der Auftritt von Guns’n’Roses. Wobei das Wort »Schade« im Grunde viel zu harmlos ist. »Frechheit« trifft es eher. »Bodenlose Frechheit« in etwa. »Schlecht« jedenfalls reicht bei weitem nicht mehr aus, wenn man versucht zu beschreiben, was Axl Rose, Slash und Co. da am Donnerstag auf der Wacken-Bühne verbrochen haben. Die Älteren unter uns können sich vielleicht noch an den leiernden Sound eines Walkmans erinnern, wenn die Batterien kurz vor Exitus standen. Dieses Geleiere war noch immer besser, als Guns’n’Roses am Donnerstag.
Man verstehe mich da nicht falsch: Ich war in den 1990er Jahren ein großer Fan der Band, habe sie 1992 zum ersten Mal live gesehen und war begeistert. Leider ist das Schnee von gestern. Axl Rose hat keine Stimme mehr, Slash verspielt sich bei jedem Song mindestens ein Mal und wer immer dort am Donnerstag als Tontechniker an den Reglern gesessen hat, ist entweder durch ein Gewinnspiel dort gelandet oder schlichtweg taub. Das gesamte Konzert hindurch lag ein Fiepen über dem Sound als seien die Hälfte der Stecker nicht richtig gesteckt. Dazu kam, dass Axls Stimme mal gar nicht zu hören war, dann wieder alles übertönend, aber eben nie im richtigen Maße. Ein einfacher Kompressor hätte hier Abhilfe geleistet.
Aber nein: Guns’n’Roses machen ja ihr eigenes Ding, bringen das komplette Equipment selbst mit und sind stolz auf ihre analogen Geräte aus den 1990er Jahren. Vielleicht hätte man den Herren mal stecken sollen, dass ihre Geräte dringend überholt werden müssten.
Ich frage mich ernsthaft: Wie konnte es dazu kommen, dass eine der größten Rockbands aller Zeiten sich mit solch einem Mist auf die Bühne traut. Jede Schülerband in Berlin hätte das in dieser Form dort oben auf die Bühne bekommen. Ist es Kalkül? Noch einmal fett Kohle machen, auf die Kritik scheißen und dann für immer von der Bildfläche verschwinden? Oder sind die Herren inzwischen wirklich so taub, dass sie gar nicht merken, was sie dort verzapfen? Als jemand, der selbst auf der Bühne steht, weiß ich zudem ja auch, dass der Sound auf der Bühne nur selten dem entspricht, was die Leute unten vor der Bühne hören – liegt es vielleicht auch ganz einfach daran? Oben klingt alles bestens und unten….
Aber was soll’s…. Im Grunde habe ich jetzt schon viel zu viel über Guns’n’Roses geschrieben. Und der Band damit wahrscheinlich genau den Gefallen, auf den sie abzielen…. Nicht eine Zeile wären sie wert und mein ernst und gut gemeinter Ratschlag: Wann immer in Zukunft irgendwo Guns’n’Roses auf einer Konzertankündigung steht, lasst die Finger von der Kartenbestellung. Ich hätte mich an diesem Abend schon geärgert, wenn ich nur fünf Euro für den Scheiß ausgegeben hätte. Daran, was die Band für den Auftritt bekommen hat, will ich lieber nicht denken.
Kommen wir also lieber zu den Highlights des Festivals: Papa Roach und Gojira. Papa Roach zeigten am Freitag, dass man auch im Alter immer noch besser werden kann. Recht unkonventionell begannen die Herren aus Kalifornien ihren Auftritt damit, erst einmal das neue Video zur neuen Single zu zeigen. Laute Musik, flimmernde Bilder auf den Videoleinwänden, aber noch keine Band auf der Bühne. Die kam dann danach und legte los wie die sprichwörtliche Feuerwehr. 25 Jahre nach ihrem Durchbruch mit »Last Resort« zeigte der Abend, dass vor allem in den letzten Jahren viele weitere, großartige Songs gefolgt sind. Das klingt – streng genommen – zwar noch immer nach dem ersten Hit, doch liegt das mit Sicherheit auch einfach am Genre »NuMetal«. Die Grenzen sind hier eng gesteckt – das hört man bei Korn und macht auch dort trotzdem Spaß. Spätestens mit ihrem Auftritt in Wacken sind Papa Roach nun dann endgültig in die erste Liga des Genres aufgestiegen.

Und dann kamen am Samstag im strömenden Regen. Gojira. Die Band aus Frankreich hatte im Sommer 2024 einen TV-Auftritt vor Milliardenpublikum (bei der Eröffnung der olympischen Spiele in Paris) und trotzdem fragen noch immer ganz viele Menschen: Go-Was???
Und die Antwort auf diese Frage fällt tatsächlich schwer. Denn auch, wenn Gojira natürlich eindeutig dem Metal zuzuordnen sind, haben sie doch noch immer ihren eigenen Stil. Dieser ist meist getragen, artet nicht selten in wahre Hymnen aus und hat doch auch immer mal wieder bewusste Misstöne, um vielleicht darauf aufmerksam zu machen, dass die Texte ihre ganz eigene Botschaft haben. Hier geht es nämlich meist um die Menschheit und darum, wie diese mit sich selbst und vor allem mit dem Planeten umgeht, auf dem sie lebt. Sozialkritischer Metal – klingt verrückt, ist aber so und klingt vor allem auch richtig großartig. Wenn dann noch eine derart spektakuläre Bühnen- und Lichtshow wie in Wacken dazu kommt, ist das in Erinnerung bleibende Konzerterlebnis – egal ob strömender Regen oder nicht – perfekt.
Und sonst so? Ministry und Fear Factory stachen hervor. Auch die Drohnenshow zur Ankündigung erster Bands fürs kommende Jahr konnte sich wieder sehen lassen. Positiv auch, dass man am Samstagabend den geteerten Weg zwischen »Wheels of Steel«-Area und Infield für alle geöffnet hat. So kam man um jede Menge Matsch herum und konnte zumindest von Gribbohm aus, den gesamten Weg bis aufs Festivalgelände auf befestigten Straßen zurücklegen. Auffallend auch die Freundlichkeit der Helferinnen und Helfer. Egal, ob Security, Thekenkraft oder die Leute an den Merch-Ständen – alle waren zuvorkommend und haben einen sehr guten Job gemacht.
Bleiben die vielen kleinen und großen Anekdoten, die zum Teil auch unter »was in Wacken war, bleibt in Wacken« abgeheftet werden. Sei es der rasende Bierkasten oder der Biertrinker, der statt dem eigenen Kaltgetränk die zum Aschenbecher umfunktionierte Dose ansetzt. Auch der Mann sei nur am Rande erwähnt, der gerade mit ins Zelt der neuen Bekanntschaft schlüpft und sich auf eine gemütliche Nacht freut, dann aber einen Anruf erhält, weil am anderen Ende des Festivalgeländes jemand in sein Wohnmobil gekracht ist. Es kommt eben manchmal anders als man denkt, doch in Wacken gehört dies einfach dazu.
Und so kam irgendwann die Erkenntnis, dass man auch mal ein paar Tage ohne Dusche überlebt, dass ein Gang aufs Klo manchmal Überwindung kosten kann, trotzdem aber nicht tödlich endet und dass schon eine Handvoll guter Leute mehr als ausreicht, um die Weltlage mit all ihren Problemen für ein paar Tage bei Bier und lauter Musik komplett auszublenden. Denn bei allem, was Wacken heute ist und was es in Zukunft vielleicht werden wird – mit Leben füllen ein solch gigantisches Ereignis noch immer die Menschen. Die Veranstalter verlieren dies hoffentlich nie aus den Augen, denn mit der Metal-Community haben sie mit Abstand das großartigste Publikum der Welt.
Rain or shine! See you in Wacken!




























