Nicht mehr meine Stadt

Freitagabend, mitten im Sommer. Bis Mitternacht haben wir draußen gesessen. Eine illustre Runde, sehr interessante Menschen, ein wunderschöner Abend. Trotzdem kommt natürlich irgendwann der Moment des Abschieds. Die Nacht ist kurz, es ist Ende Juni. Man geht seiner Wege.
Mein Weg führt mich auf die Greifswalder Straße. Da habe ich früher mal gewohnt. Hier war der Knaack Club, später oder auch noch gleichzeitig der Magnet Club. Rammstein hatten hier ihren Proberaum. Jetzt ist es irgendwann in der Nacht und diese Ecke Berlins ist definitiv tot.
Keine Leute mehr auf der Straße, halb drei Uhr an einem Freitag Abend. Ich komme zur Haltestelle Hufelandstraße. Die nächste Tram kommt in 27 Minuten. Ist ja wie auf’m Dorf hier. Unterschied: Links und rechts von der Straße reiht sich ein Hotel an das nächste. Aber nicht etwa, dass in den Unterkünften noch Leben herrscht. Statt einer Rezeption gibt es am Eingang Tablets. Da kann man sich dann online einchecken. Die Tür öffnet sich automatisch, der Hotelbetreiber spart sich das Personal.

Mir sind 27 Minuten Rumsitzen und auf die Tram warten zu lang. Also gehe ich zu Fuß zum Alex. Und obwohl rund um den Alexanderplatz in Sachen Nachtleben noch nie wirklich was los war, werden die auswärtigen Hotelgäste auf den diversen Hotelportalen im Internet natürlich immer wieder genau damit gelockt: Modernes Hotel in zentraler Lage.
Ja, scheiße! Es ist Freitagabend um halb drei Uhr und der Alexanderplatz ist tot wie der Hinterhof eines Seniorenheims in Detmold. Ich laufe durch die Schluchten neugebauter Hotelhochhäuser und alles, was auch nur im Entferntesten nach Leben aussieht, ist geschlossen. Die Hotelbars, die (sehr wenigen) Spätis, alles, was auch nur irgendwie nach Verweilen aussieht. Die Touristen aus Bielefeld und Stuttgart liegen längst im Bett und wer aus Berlin kommt, weiß seit 20 Jahren, dass es sich nicht lohnt, dem Alexanderplatz in Sachen Nachtleben einen Besuch abzustatten.
Und so bleibt tot, was schon seit Jahren tot ist. Meine Sorge während des nächtlichen Spaziergangs: Wenn Berlin irgendwann mal überall so aussieht wie hier… wo will man dann noch hin?





